MIRI'S AROUND THE WORLD TRIP 2011/2012



Freitag, 12. August 2011

Kleines Lebenszeichen von Gili Trawangan

Meine Lieben,
ja ich lebe noch und es tut mir unendlich leid, dass ihr gerade so gar nichts von mir hört. Ich denke jeden Tag, dass ich euch endlich allen liebe Mails schreiben will und endlich antworten will. Die Zeit rennt, ich lebe momentan in einem Local-Haus ohne Internet, ständig ist Stromausfall, telefonieren und Internet ist wirklich schwierig. Ich tauche jeden Tag morgens und mittags und manchmal sind noch Special-Dives wie Sonnenaufgang- oder Nachttauchgänge.
Als Divemaster-Trainee gebe ich das Equipement aus, betreue die Kunden, begleite Open-Water-Kurse, helfe aufräumen uns so weiter. Nebenbei versuche ich gerade verzweifelt die Zeit zu finden, für meine „Rescue-Diver“-Lizenz das ganze Erste Hilfe Kurs Manual durchzuarbeiten und komme überhaupt nicht zu Rande. Eigentlich sollte es heute losgehen mit allgemeiner Erste Hilfe, dann folgt das ganze Training zum „Rettungstaucher“. Die Zeit rennt nur so davon und ich muss mich erst an dieses so völlig irreal wirkende, komplett andere Leben gewöhnen, was mich gerade echt in einen „ungreifbaren“ Zustand versetzt. Ich weiß noch nicht, ob ich glücklich bin, ob ich hier richtig bin, was ich hier überhaupt genau mache, habe ich noch gar nicht richtig begriffen.
Alles ist so völlig wahnsinnig und ich muss meinen Platz hier erstmal finden und rausfinden ob ich das wirklich kann, denn die Verantwortung, die ich jetzt manchmal schon trage macht mir manchmal schon ziemliche Angst. Meine „Ausbilderin“ ist super und sie sagt immer wieder, dass meine einzige Aufgabe im Moment ist sicherzustellen, dass mein Buddy ok ist und dass ich alles beobachte und lerne, wie sie unterrichtet. Aber natürlich erwarten die Kunden, wenn sie hören, dass ich in der Divemaster-Ausbildung bin, dass ich ihnen helfen kann. Kann ich aber noch nicht.
Ich gebe mein Bestes und bin froh, dass ich inzwischen mit mir selbst unter Wasser gut klar komme und natürlich untersage ich mir zu zeigen, dass mir auf  36 Meter Wassertiefe und einem panischen Taucher in unserer Gruppe auch mal ganz schön flau wird und ich nur bete, dass alles gut läuft und ich nicht irgendwem aushelfen muss. Im Moment ist in meinem Kopf nichts außer 1000 Fragen zu Erfahrungen bei unseren Tauchgängen. Was muss ich machen? Was ist meine Aufgabe? Wie helfe ich? Was muss ich antworten? Immer mehr denke ich, dass das hier vielleicht noch ne Nummer zu groß ist, aber andererseits bin ich nun hier und ich glaube das wäre ich nicht, wenn Bruno nicht glauben würde, dass ich das packen kann und ich habe ja auch genug Zeit bei jedem Tauchgang dazu zu lernen. Aber es ist verdammt harte Arbeit, die mich im Moment wirklich manchmal an meine Grenzen bringt und mich zweifeln lässt, ob ich wirklich so viel Verantwortung für andere unter Wasser übernehmen kann und will. Man wächst mit seinen Aufgaben und jeder Tauchgang bereichert einen mit Erfahrungen und macht einen sicherer. Im Moment gibt’s in meinem Leben und meinem Kopf nichts außer Tauchen, Essen und Schlafen ….Gott, bin ich immer fertig abends.  

Im Moment lebe ich bei der super lieben Therese, auch eine Advanced-Taucherin, die an der Rezeption von der Tauchschule arbeitet und mit Bruno, dem Manager zusammen ist. Bruno ist gerade auf einer Komodo-Cruise und solange wohne ich mit ihr in einem Local-Haus. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie wir hier leben. Es ist ein richtiges Haus mit Küche und Bad und wir haben sogar eine westliche Toilette, denn normal wäre ein Loch im Boden. In Indonesien gibt es kein Klopapier, man „duscht“ seinen Hintern, etwas woran ich mich definitiv nicht gewöhnen will. Zum Glück gibt’s inzwischen für die Touris hier Möglichkeiten Klopapier zu kaufen. Neben unserem Haus lebt ein Pferd, eine Ziege, 10 Hühner und 5 Hähne. Im Haus haben wir unsere süßen kleinen Eidechsen, 2 Skorpione, die mir zum Glück noch nicht begegnet sind und unsere 5 cm Kakalaken. Das Leitungswasser hier ist salzig und es gibt kein warmes Wasser, also nie eine warme Dusche. Aber wisst ihr was, es ist überhaupt nicht wichtig, ich habe mich so schnell daran gewöhnt und wenn ich etwas mehr Luxus will, kann ich ja auch in ein „Hotel“ wechseln, ist alles halt auch eine Geldfrage.
Hier lernt man zu schätzen, in was für einem Standard wir daheim leben aber ich lerne auch, dass wir so viel Überschuss haben, den niemand braucht. Hier ist es schwierig „normale“ Alltagsgegegnstände zu kaufen. Du gehst nicht einfach los und kaufst Milch, denn die meisten Local-Stores haben keinen Kühlschrank. Natürlich, man kriegt es, aber es ist nicht so selbstverständlich. Fleisch ist fast unmöglich, aber dafür gibt’s das tollste Gemüse und die tollsten Früchte super günstig und naja, wenn man es sich leisten kann, kann man natürlich auch jeden Tag in der Beachfront essen gehen, was hier ja auch immer noch günstig ist. Ich frag mich echt, wo die das ganze westliche Essen herbekommen.
Jetzt gerade sitze ich in einer Bar und gucke auf das türkis farbende Meer und realisiere mal wieder, dass ich im Paradies bin. Ich muss aufpassen, dass ich mehr aus der Tauchschule rauskomme, denn es geht ganz leicht um 8 Uhr morgens mit dem Fahrrad hinzudüsen und um 19 Uhr wieder nach hause zu fahren ohne das Gelände weiter als zum Boot und zum Restaurant und der Eisdiele 20 Meter entfernt verlassen zu haben… was mich schon nach einer halben Woche etwas crazy in meinem Kopf macht.
Ich bin froh, dass ich erstmal bei Therese wohnen kann. Sie ist Schwedin und wir haben so viel Spaß, wir können echt tiefgründig reden und lachen und ich kann sie nach allem was in der Tauchschule abgeht fragen, was schon mal gut ist, denn irgendwie herrscht in mir dieses beängstigende Gefühl, dass alle erwarten, dass ich einfach alles schon kann und weiß wie z.B. verschiedene Wetsuits aussehen, wie all die Fische und unsere Dive-Spots heißen und wo sie zu finden sind. Aber nein, ich habe keine Ahnung wie viel Gewicht die Leute auf ihrem Gürtel haben müssen, wie man einen 30 Meter Tauchgang kalkuliert, wie ein Computer genau funktioniert, was ich mache, wenn die Tiefenströmung uns runtersaugt, was ich machen muss, wenn auf einmal die Sichtweite auf 5 Meter schrumpft, der Instructor nicht zu sehen ist, meine Buddy irgendwo rum schwimmt und nie da bleibt wo er sollte und ich mit 4 Anfänger Tauchern auf einmal auf 20 Metern Wassertiefe bin, obwohl diese eigentlich bei 12 Metern sein sollten. Ich weiß auch nicht, was ich mache wenn mein Buddy irgendwo rum schwimmt und ein anderer Schüler sich an meinem Arm festkrallt um nicht von der Strömung abgetrieben zu werden. Immer lachen, gute Laune verbreiten, souverän wirken und nicht zeigen, dass ich permanent nur hoffe, dass alles gut geht.
Jetzt muss ich Schluss machen, weil ich in 20 Minuten zum zweiten Tauchgang heute los muss und Hurra…wir haben wieder einen neuen Anfänger-Kurs und ich kriege wieder einen Buddy, der noch nie zu vor getaucht ist. Gestern meinte meine Lehrerin, ob ich gemerkt habe, dass sie mir immer die schwierigsten Buddys gibt und dass ich ein Leader am Ende der Ausbildung sein soll….also finde raus wie das funktioniert…. Ja klar, alles kein Ding, warum sollte mir das schwer fallen *hust*
Na dann mal los, ich kann nur da zu lernen :)
Gestern war der erste „Open Water Kurs“ vorbei, den ich begleitet habe und alle 5 Teilnehmer haben zusammen auf einem „ Partyboot“ gefeiert. Wir haben einmal die Tauchschule um 16 Uhr zu gemacht und sind alle mit auf’s Boot. Man trifft wunderbare, tolle Menschen hier, es ist schön wenn solche Gemeinschaften während des Kurses entstehen, man kann sich toll unterhalten und die Unterwasserwelt und die Landschaft hier sind einfach traumhaft schön. Man muss sich nur umgucken und man weiß genau, warum man hier und warum man es macht. Ich bin froh, wenn die ersten Tage vorbei sind und das Verantwortung übernehmen selbstverständlicher wird, wenn mir nicht mehr das Herz in die Hose rutscht, wenn ich Sachen demonstrieren muss oder sicherstellen muss, dass alle das richtige Equipement haben und alles funktioniert… Jeder Tag bringt mich voran. Das alles nimmt mich gerade zu 100% ein. Ich kann nicht mal  daran denken, mir über Zukunft, Partys, Männer, „Wohnungssuche“ für nächste Woche, Finanzen usw. Gedanken zu machen. Krasses Leben, krasse Erfahrung…ich wachse und lerne :)

Ich vermisse euch und wäre so wunderbar, wenn mich jemand besuchen käme im kommenden Monat.
@ Pia: Du machst mich zum glücklichsten Menschen auf der Welt, wenn das klappt!!!
Ich melde mich so bald ich Zeit finde  mit einem Blogeintrag über die letzten Wochen und bis dahin schicke ich viele Küsse und Umarmungen :)

 With Love, Miri